Sybille - LEBEN IM MONDRHYTHMUS
Es liegt in der Luft. Viele Menschen suchen neue Werte für ihr Leben. Sie sehnen sich zurück in die Zeit, in der der Mensch sich ein fühlte mit der Natur, in der sie Gestirne wie Wegweiser durch das Leben führten. Und der Mondstand den richtigen Zeitpunkt für die Erledigung der alltäglichen Dinge anzeigte. Über den Einfluß des Mondes auf den Menschen sind in kurzer folge mehrere Bücher erschienen. Erika Büttner hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt.
In ländlichen Gegenden Tirols schneidet man die Haare nach dem Mondkalender: an Jungfrautagen, besser noch an Löwe, bei zunehmendem Mond. Vor allem wenn sie wachsen sollen. Sie werden fülliger, und man sät und erntet auch nach dem Mondkalender, und man tut Dinge zu einem Zeitpunkt, der nach uralter Erfahrung der günstigste, erfolgversprechenste ist.
So ziemlich das einzige, was ich darüber weiß, ist daß der Mond Einfluß auf die Gezeiten hat, daß bei Vollmond viele Kinder geboren werden, daß die Kriminalität besonders hoch sein soll. Und ich schlafe schlecht bei Vollmond. Ich lebe eben in der Großstadt, und da ist sowieso alles anders. Manch einer sieht den Mond gar nicht aus seinem Fenster, in seiner Straße stehen keine Bäume. Das Wasser kommt aus der Wasserleitung. Als Regen ist es meistens lästig. Nehmen wir einmal an, dieser Mensch arbeitet auch noch in Schichten, dann lebt er völlig gegen den Rhythmus der Natur. So, wie wir beinahe alle leben. Tatsächlich schaffen ja Sonne und Mond einen Lebensrhythmus. Tag und Nacht, Aktivität und Passivität, Spannung und Entspannung. Der betrifft die gesamte Natur und mit ihr den Menschen. Je mehr dieser sich jedoch zum Herren der Natur machte und sich dabei immer mehr von Ohr entfernte - desto mehr ist ihm das Gefühl der Zugehörigkeit zu ihr verlorengegangen. Und damit auch ein Teil menschheitlicher Erfahrung im Umgang mit ihr. Die Industriegesellschaft und das Leben in den Städten setzten andere Prioritäten. Nur manchmal ist da so ein ungewisses Verlustgefühl...
In ihren Büchern Vom richtigen Zeitpunkt und Aus eigener Kraft schreiben Johanna Paungger und Thomas Poppe über Anwendung des Mondkalenders im täglichen Leben. "Viele Kalender der Vergangenheit" heißt es da, "richteten sich nach dem Lauf des Mondes, weil die vom Mondstand im Tierkreis angezeigten und angekündigten Kräfte von weit größerer Beudeutung sind für den Alltag des Menschen als die des Sonnenstandes." Johanna Paungger ist buchstäblich mit dem Wissen aufgewachsen. Sie kommt aus einer ländlichen Gegen in Tirol. Und die ganzheitliche Betrachtung von Mensch zu Natur ist tief in ihr verwurzelt. Sie kennt die Sternenuhr. Und sie weiß, wie die Zeigerstellung sein muß, wenn eine Sache richtig laufen soll. "Ein Leben im Gleichgewicht heißt, die Wellenbewegungen, denen unser Körper ausgesetzt ist, nicht fortwährend zu mißachten oder ständig gegen den Strom zu schwimmen. Es bedeutet, geduldig den Rhythmen der Natur, der Jahreszeiten und des eigenen Körpers zu lauschen, ihre Signale zu verstehen zu lernen und sich - wie ein guter Wellenreiter - ihrem steten Auf und Ab harmonisch anzupassen", schreibt sie.
Die verschiedenen Phasen des Mondes und seine Stellung zu den Sternbildern sind für den menschlichen Organismus von ebensolcher Bedeutung wie für die gesamte Natur. Seine Kräfte wirken auf ihn, unabhängig vom menschlichen Willen. Zunehmender und abnehmender Mond geben jeweils unterschiedliche Kraftimpulse ab. Auf unseren Körper bezogen ist das so: "Der abnehmende Mond entgiftet und spült aus, schwitzt und atmet aus, trocknet, festigt, fordert zu Einsatz und Energieverausgabung auf. Je näher an Neumond, desto stärker die Kraftwirkung." Ich nenne das einmal die aktive Phase. Alles, was weg muß vom Körper, sollte zu dieser Zeit weg. Reinigung und Entgiftung im Frühjahr zum Beispiel. Planbare Operationen sollten in dieser Mondphase geschehen. Wunden bluten nicht so stark, Narben verheilen günstiger und schneller. "Der zunehmende Mond führt zu, plant, nimmt auf, baut auf, atmet ein, speichert Energie, sammelt Kraft, fordert zu Schonung und Erholung auf. Je näher am Vollmond, desto stärker die Kraftwirkung." Vollmond und Neumondtage verstärken die jeweiligen Impulse, selbst Unwissende wie ich nehmen die Kräfte des Vollmondes wahr, wenn auch nur durch eine gesteigerte Unruhe.
Nach dem Mond leben, das hieße seinem Leben einen bewußten Rhythmus geben, es einpendeln in das ständige Hin und Her zwischen Energieaufnahme und -abgabe. Sich unterordnen einer Kraft, die stärker ist. Ein faszinierende Gedanke, daß dadurch alles wieder ins Lot kommt. Gerade zu Zeiten, in denen Perspektivlosigkeit, Zukunftsängste und soziale Unsicherheit sich breit machen, neigen wir dazu, die Verantwortung für unser Schicksal von uns wegzuschieben. Nach eine Jahrhundert der Wissenschaftsanbetung, das letzen Endes enttäuschend war, ziehen wir uns zurück auf das Wissen und die Weltbetrachtung unserer Altvorderen? Johanna Paungger sieht das anders. Sie meint, daß das erste Mal in der Geschichte die Chance besteht, menschheitliche Erfahrung und wissenschaftliche Erkenntnis zu vereinigen. Was die Menschen in Generationen der Natur abgelauscht haben, nicht mehr außer acht zu lassen, sondern es als wichtiges Gut in das heutige Denken einzubeziehen. Vielleicht hat sie recht. Aber wie soll das gehen? Ich habe die Erfahrungen meiner Vorväter nicht ererbt, ich muß sie mir also gründlich aneignen, für mich ist das alles auch Theorie. Ich schaue also in Bücher und versuche, mit ihrer Hilfe meinen Körper wieder in den natürlichen Rhythmus zu bringen. Fasten sollte ich deshalb in der Zukunft nicht mehr einfach so, sondern unbedingt bei abnehmenden Mond. Der nächste Zahn wird auch bei abnehmendem Mond gezogen. Aber zum Haareschneiden werde ich künftig bei zunehmendem Mond gehen. Vielleicht werden viele andere das auch so tun, wenn sie Johanna Paungger gelesen haben. Nur, haben wir damit wirklich etwas an unserem Leben verändert? Wir haben doch lediglich ganz punktuell etwas verwendet, was in unseren Kram paßt. Ein Leben wie wir es führen, wo man jeden Tag gut ausgeschlafen und topfit sein muß, vereinbart sich so schwer mit dem ruhevollen Sich-Einstellen auf den natürlichen Rhythmus des Mondes. Das ist eine Lebensweise, kein Rezeptebuch. Kann ich die wirklich erlernen? (Erika Büttner)