Hörzu - EIN LEBEN MIT DEM MOND
"Woher haben Sie nur dieses viele Wissen, das in Ihren Büchern steht?" werde ich oft gefragt. Und schäme mich dann ein wenig, weil ich es eigentlich selbst nicht sagen kann: Mit dem Wissen um den Einfluß der Mondrhythmen wuchs ich auf wie ein Fisch mit dem Wasser. Von Natur aus war ich allerdings neugieriger als andere und besonders mein Großvater hat mir bereitwillig gezeigt und vorgelebt, was er wußte. Daß man auch ohne dieses uralte und wertvolle Wissen leben und sich den Alltag damit ungeheuer schwer machen kann, erfuhr ich erst im Alter von 15 Jahren, als ich den Heimathof in Tirol verließ und nach München zog.
Im Alltag unserer Familie, mit Großeltern, Eltern, neun Geschwistern und manchmal auch mit Sommergästen, alle unter einem Dach, erlebten wir Kinder, daß es für fast alles einen richtigen Zeitpunkt gibt und daß der Mond - seine Phasen und sein Stand im Tierkreis - dabei ein entscheidendes Wörtchen mitredet. Natürlich haben wir manchmal gegen die Gesetzmäßigkeiten verstoßen, weil man als Kind oft andere Dinge im Kopf hat als aufs Wort zu gehorchen - unfehlbar mit Folgen: Wenn wir bei Vollmond die Sense draußen vergaßen, wurde sie stumpf (übrigens auch Rasierklingen!). Buntwäsche, bei Vollmond nachts auf der Leine hängengelassen, bleicht an der Seilkante aus (ein Effekt, der jedoch auch von Nutzen war! Etwa bei Leinenwäsche, die ja schön weiß bleiben, oder bei grellbunten Fleckerlteppichen, die zu sanfteren Farben verblassen sollen). Und für das Sammeln von Johanniskraut ist sogar die richtige Stunde entscheidend: Hatten wir sie beim Spielen übersehen, wurde das Öl nicht rot und war nicht mehr sehr wirksam. Bestraft wurden wir zwar nie für solche und andere Versäumnisse, die Mehrarbeit allerdings wirkte, und das viel besser und gründlicher als Strafen ...
In Garten, Feld und Wald war für uns das Wissen vom richtigen Zeitpunkt natürlich die Hilfe schlechthin. Alles im Leben hat seine Zeit, so lernten wir. Keine Blüte entfaltet sich vor der Knospe, kein Kind kommt zur Welt vor der Schwangerschaft, kein Blatt fällt, bevor nicht die Zeit reif ist. Selbstverständlich war früher auch, daß man nur zu bestimmten Zeiten zum Haareschneiden ging. Man wird in Tirol nur sehr wenigen Männern über 65 begegnen, die eine Glatze tragen, weil damals auf den richtigen Zeitpunkt des Schnitts geachtet wurde (Mond im Zeichen Löwe). Wochentags beim "schlechten Zeichen" hatte der Friseur geschlossen und wenn Löwe auf einen Sonntag fiel, ging man nach der Kirche zum Schneiden - durch den Hintereingang ...
Zahlreiche Heilkundige wissen heute noch um die Zusammenhänge und richten sich bei ihrem Tun nach dem Stand des Mondes: Beim Sammel- und Lagerzeitpunkt von Heilkräutern, bei der Wahl von Operationsterminen, bei der Anwendung von Heilmitteln etc. Darin liegt vielfach das Geheimnis ihres Erfolges, auch bei hartnäckigen, chronischen Krankheiten, die sich den Mitteln der Schulmedizin versperren. Und so ging uns von klein auf die Erfahrung in Fleisch und Blut über: Auf den Mondkalender zu verzichten wäre uns so verrückt vorgekommen wie einem Stadtkind die Abschaffung aller Ampeln. Mit welchen Folgen wir das jahrtausendalte Wissen um die Naturrhythmen ignorieren? Das steht jeden Tag in der Zeitung, das nehmen wir mit jeder vergifteten und verstrahlten Tomate in uns auf, dafür bezahlen wir die Krankenkassenbeiträge.
Damit allmählich wieder etwas mehr Vernunft, Maß und Ziel regiert, damit die Achtung vor der Natur, gesunder Menschenverstand und das eigene innere Gespür wichtiger werden als Statistiken und "Weisheiten" aus Brüssel und um die Erinnerung an die Mondrhythmen, ein uraltes Erbe der Menschheit zu wecken - dafür habe ich meine Bücher geschrieben. (Johanna Paungger)
1996