Süddeutsche Zeitung München - DIE ZEIT DER PETERSILIE DES HAARWUCHSES
Ein unaufdringlicher Ratgeber: Johanna Paunggers Buch über "Die Anwendungen des Mondkalenders im täglichen Leben"
Mit den Vorworten auf den ersten Buchseiten ist es so eine Sache. Oft wird das Werk überschwenglich angepriesen und der Leser fühlt sich am Ende ob der geweckten Erwartungen maßlos enttäuscht. Um so wohltuender ist es, wenn man feststellt, daß bei einem Vorwort eher tiefgestapelt wurde, die nachfolgenden Seiten mindestens halten, was versprochen war. Zu diesen Büchern gehört "Vom richtigen Zeitpunkt - Die Anwendung des Mondkalenders im täglichen Leben" von Johanna Paungger (siehe "Zur Person" unten) und Thomas Poppe.
Wenn auch beide auf der Titelseite des Hardcover-Buchs genannt sind, handelt es sich nicht um Co-Autoren im gewohnten Sinn. Das Wissen, die Erfahrung von den Wirkungen des Monds hat Johanna Paungger aus Anzing beigesteuert, zu Papier gebracht, auf 215 Seiten, hat es Thomas Poppe. Die gebürtige Tirolerin suchte nach eigenem Bekunden jemanden, der ihre Gedanken so festhält, daß man sie hinter dem Geschriebenen erkennen kann. Wer Johanna Paungger bei ihren Vorträgen oder auch im persönlichen Gespräch erlebt hat, weiß, daß die Wahl Poppes goldrichtig war. Nicht hochgestochen, sondern leger, wie bei einer ungezwungenen Unterhaltung, präsentiert sich der Text, der einen unversehens Seite für Seite weiterblättern läßt, obwohl man doch nur schnell ein Kapitel lesen wollte. Und was noch viel wichtiger ist: Johanna Paungger hält durchwegs ihr einleitend gegebenes Versprechen, daß sie niemanden belehren will, nicht glaubt, ein Allheilmittel präsent zu haben.
Was sie in und mit ihrem, Buch statt dessen offeriert, ist alt und neu zugleich. Alt, weil sie Erfahrungen weitergibt, die schon seit Jahrhunderten bekannt sind. Im alten China glaubte man schon an die Wirkungen des Monds wie hierzulande Landwirte, die ihre Ernte- und Saatzeit schon vor Generationen nach den Phasen des Monds ausrichteten. Nur wurden die Erfahrungen, die daraus resultierenden Regeln, nie detailliert fixiert. Im aufstrebenden technologischen Zeitalter, in dem Düngemittel zur Ertragsmaximierung Siegeszüge feierten, Heilkräuter der modernen Medizin weichen mußten, gerieten die natürlichen Wegweiser ins Hintertreffen, in Vergessenheit. Geblieben ist das Wissen, daß die Gezeiten irgendwie vom Mond abhängen", die Schlafwandler bei Vollmond auf Wanderschaft gehen.
Johanna Paungger läßt nun Vergessenes wieder aufleben, hält es in diesem Umfang erstmals schriftlich fest, dank ihres Großvaters, der sie die Wirkungen des Monds gelehrt hat. Zu Zeiten des Esoterik-Booms, in denen der Büchermarkt tagtäglich mit zahllosen Neuerscheinungen überflutet wird und der Leser zwischen ernstzunehmender und unseriöser Literatur allein gelassen wird, setzt Johanna Paungger einen seltenen Akzent. Sie behauptet nicht, verspricht nicht, sondern bietet an - zurückhaltend, freilich überzeugt. Die Beachtung des richtigen Zeitpunkts, des Monds und seine Konstellation am Sternenhimmel, nennt sie nichts anderes als eine Krücke, die nur einen Zweck erfülle: Sich auf sie zu stützen, solange es nötig ist und sie wegzuwerfen, wenn man sie nicht mehr braucht".
Dabei behauptet Johanna Paungger auch nicht, daß es der Mond sein muß, der direkten Einfluß auf Mensch, Tier und Pflanzen ausübt: Das Wesen - von Rhythmus ist Wiederholung. Wenn man beispielsweise beobachtet, daß die günstige Zeit vom Ansäen einer bestimmten Pflanze monatlich zwei bis drei Tage währt und dabei der Mond die immer gleichen Sterne durchwandert, dann liegt es nahe, diese Sterne zu einem Bild zusammenzufassen und der Sternenkonstellation einen für die jeweilige Beschaffenheit des Einflusses typischen und einleuchtenden Namen zu geben. Das Sternenbild wird zur Ziffer auf dem Ziffernblatt des Sternenhimmels."
Wie gesagt, Johanna Paungger bietet an. In einer Zeit, in der allgemein erkannt worden ist, daß der Weg der zur Natur zurück sein muß, geht sie ihn auf fast zugewachsenen Pfaden. Nach der Erklärung der Mondimpulse der Sternzeichen und der Kombinationswirkungen folgen vier Hauptkapitel. Darin werden praktische Hinweise und Ratschläge gegeben, die den Alltag betreffen. Tips zur Gesundheit, zur Gartenarbeit, zur Land- und Forstwirtschaft wie auch zum Haushalt sind übersichtlich, oft mit anschaulichen Tabellen ergänzt, leicht verständlich angeboten. Der Leser erfährt, wann die günstigste Zeit ist, Petersilie zu pflanzen, wann welche Heilkräuter gesammelt werden sollten, welcher Zeitpunkt sich am besten zur Haarpflege eignet.
Ob er daran glaubt, bleibt freilich ihm überlassen. Soviel jedenfalls ist sicher: Zu verlieren hat niemand etwas, der dem Mondkalender nach den Anweisungen von Johanna Paungger folgt. Ob es sich damit tatsächlich in bestimmten Bereichen besser oder leichter leben läßt, kann er mit einfachsten Mittel ausprobieren, ohne dabei etwas zu riskieren. Allumfassend gewinnen kann er allerdings auch nicht. Diesem Trugschluß beugt Johanna Paungger nachdrücklich vor. Die Grenzen des Mondkalenders" im täglichen Leben zeigt sie bewußt und deutlich auf. Keinesfalls als Ersatz zur Medizin beispielsweise will sie seine Berücksichtigung verstanden wissen sondern unter bestimmten Voraussetzungen als sinnvolle Ergänzung, nicht mehr und nicht weniger. Wenn man sich an ihre Empfehlungen hält, diese weder mit Vorurteilen abblockt, noch mit Interpretationen überfrachtet, hat man mit ihrem Buch, egal wie der Mond steht, ein en guten Griff getan. Es ist, erschienen im Hugendubel Verlag, in allen Buchhandlungen zum Preis von 29,80 Mark erhältlich.
ANDREA MAYERHÖFER
FEUILLETON
Zur Person
Wertvoller Rat aus dem Erfahrungsschatz des Großvaters
"Eigentlich ist es ja dumm, weil man heute leichter zunimmt", denkt Johanna Paungger laut und - bestellt sich dann doch ein Stück Kuchen. "Kuchen ist Kuchen" möchte man als gestreßter Kalorienzähler meinen und wird eines Besseren belehrt. Nein, falsch, genau das wird man eben nicht: Alles andere als belehrend, eher als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, gibt die 38jährige gebürtige Tirolerin ihre Erklärung. Der Mond nehme gerade zu, und da setze der Mensch eben auch leichter Speck an. Mit einem tonlosen "Aha" verrät sich der Unkundige. Wenn er auch mit den Einflüssen des Monds bisher so gar nichts am Hut gehabt hat - schließlich fällt er als souveräner Realist doch nicht irgend so einem Hokuspokus anheim - ist er dennoch nach diesem ersten Augenblick im Zusammentreffen mit Johanna Paungger bedeutend schlauer. Seine Vorurteile jedenfalls lösen sich in Luft auf, was die Thematik "Vom richtigen Zeitpunkt - Die Anwendung des Mondkalenders im täglichen Leben" betrifft, als auch die Einschätzung der Autorin dieses so betitelten Buches. Johanna Paungger entspricht in ihrer humorig-mitreißenden Art so gar nicht dem vorgefertigten Bild der abgehobenen Phantastin, die sich ob der Ignoranz Andersdenkender nur so die Haare rauft. Ihr genügt es, daß sie von den Wirkungen des Monds auf Mensch, Tiere und Pflanzen überzeugt ist, wie sie ihr Großvater ihr vermittelt hat. Andere will die Mutter zweier Kinder, die mit ihrer Familie seit 14 Jahren in Anzing lebt, nicht überzeugen, nimmt nicht in Anspruch, Patentrezepte für alles auf Lager zu haben. Und beweisen will sie schon gar nichts; was im Sinne der Wissenschaft wahrscheinlich auch nicht möglich wäre, wie sie freimütig zugibt. Ihr liegt auch gar nicht daran, denn das Wissen, das Johanna Paungger seit nunmehr vier Jahren in zahllosen Vorträgen und nun ihrem Buch vermittelt, brauche keine Rechtfertigung, weil es sich ausschließlich durch sich-selbst beweise. "Wer eine Geranie in der Zeit pflanzt, wie sie nach der Mondphase richtig wäre, sieht schon, daß es stimmt", erklärt sie, um gleich lapidar hinzuzufügen: "Ich weiß schon, das klingt doof". Aber belächelt zu werden, macht ihr nichts aus, sagt sie gelassen, fast heiter. Davor aber muß die offen herzige Frau, die mit erfrischender Natürlichkeit besticht, ohnehin keine Angst haben. Im Gegenteil: Ihre Vorträge, ob bei Frauenverbänden, Landwirten oder in Veranstaltungsreihen des Kreisbildungswerks, sind mehr als gefragt. Gleiches trifft für ihr Buch zu. Zum einen liegt das daran, daß es sich beim Mond nicht um irgendeinen magischen "Summs" handelt, sondern um Erkenntnisse, die seit Jahrhunderten Bestand und sich als praktikable Hilfen erwiesen haben, ob für die Gesundheit, den Haushalt, die Gartenarbeit oder auch die Landwirtschaft; zum anderen wohl an Johanna Paungger selbst, die mit sichtlicher Freude ihren Erfahrungsschatz weitergibt, ohne sich dabei aber in ihrer Thematik zu verrennen, deren Bedeutung überzubewerten. Im Falle des Falles sei es einfach beruhigend zu wissen, daß man sich mit dem Mondkalender in bestimmten Bereichen helfen könne; aber sich ausschließlich nach ihm zu richten, sei natürlich "ein Schmarrn" - weiß Johanna Paungger und beißt lachend in ihren Kuchen. (ANDREA MAYERHÖFER)
1992